Erste Stolpersteine in Weißwasser verlegt

Seit über 25 Jahren verlegt der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine, um der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung zu gedenken. Ein Großteil der Steine erinnert an Jüdinnen und Juden, es gibt aber auch welche für Sinti und Roma, Homosexuelle, politisch Verfolgte und für Menschen, die der Aktion „T4“ zum Opfer fielen. Über 90.000 solcher Gedenkplatten in 22 Ländern gibt es mittlerweile. Seit August 2021 ist auch Weißwasser Teil dieses weltweit größten dezentralen Denkmals. Am 25.08.2021 wurden in der Muskauerstraße 75, von Gunter Demnig persönlich, die ersten beiden Weißwasseraner Stolpersteine verlegt.

Die Stolpersteine für Margarete und Gerda Pese

Die beiden Messingtafeln in der Muskauerstraße erinnern an Margarete und Gerda Pese, die dort gewohnt und bis 1935 ein Textilgeschäft betrieben hatten. Dann wurden sie im Zuge der sogenannten Arisierung jüdischen Eigentums enteignet, wodurch Willy Knappe in den Besitz des Geschäftes kam. Bereits vor dem Verlust ihres Geschäftes litten die Peses unter der Drangsalierung der SA. So wurden unter anderem zwei Posten vor dem Geschäft stationiert, um Kundinnen und Kunden davon abzuhalten, es zu betreten. 1936 wurden Margarete Pese und ihre Tochter Gerda dann auch aus ihrer Wohnung vertrieben. Die Suche nach einer neuen Wohnung gestaltete sich äußerst schwierig. Familie Pese kam schließlich im Knappenweg 11 bei dem Heizer August Scheffler unter, der dort ein Einfamilienhaus besaß. Scheffler, der selbst nur in einer unteren Gruppe entlohnt wurde, half nun der Familie Pese wo er konnte und überließ seinen neuen Mieterinnen immer wieder auch Heizmaterial und Lebensmittel. Auch andere Nachbarinnen und Nachbarn unterstützten. Unter diesen Umständen konnten die beiden Frauen bis zu ihrer Deportation 1942 trotz der vielen diskriminierenden Einschränkungen zumindest ein Leben unter ihnen freundlich gesinnten Menschen führen. 1942 kam dann die Anweisung, sich am 20. April in Breslau an einer Sammelstelle zwecks Umsiedlung zu melden. Das letzte Lebenszeichen der beiden Peses traf in Gestalt einer Postkarte ein, auf der Frau Pese an die Familie Scheffler geschrieben hatte: „Sie wollen mir meine Tochter nehmen. Das überlebe ich nicht.“ Verschiedene Anhaltspunkte legen nahe, dass Margarete und Gerda Pese im Vernichtungslager Belzec ermordet wurden. Eine genaue Bestimmung von Todesort und –zeit ist leider nicht möglich. Weitere Informationen zu Margarete und Gerda Pese finden Sie hier.

Die Gäste zur Verlegung an der Muskauer Straße

Der Verlegung der Stolpersteine für Margarete und Gerda Pese wohnten, neben vielen interessierten Bürgerinnen und Bürgern, auch Schefflers Enkelin Gisela Richter und Urenkelin Katrin Stengel, sowie der Weißwasseraner Oberbürgermeister Torsten Pötzsch bei. Pötzsch unterstrich den wichtigen Beitrag, denn die Stolpersteine als Teil der Erinnerungskultur leisten:  „Die Geschichte der Juden in Weißwasser gelangt erst ins Bewusstsein der Allgemeinheit, wenn sich ihr keiner entziehen kann. Mit den Stolpersteinen von Gunter Demnig ist das möglich. Deshalb sind sie ein Beitrag gegen das Vergessen.“ Die beiden Steine in der Muskauerstraße werden nicht die einzigen in Weißwasser bleiben. Bereits für 2022 plant die Initiativgruppe Stolpersteine die Verlegung weiterer Steine.

Abgerundet wurde die erste Weißwasseraner Stolpersteinverlegung durch ein Abendprogramm in der evangelischen Kirche in Weißwasser. Herr Dr. Markus Bauer, Vorsitzender des Förderkreises Görlitzer Synagoge, stellte einige Auszüge aus seinem Buch „Die Juden von Görlitz: Beiträge zur jüdischen Geschichte der Stadt Görlitz“ vor. Besonders einprägsam blieben wohl die von Herrn Bauer vorgestellten Biografien zurück. Auch die in Weißwasser ansässigen Jüdinnen und Juden waren Teil der Görlitzer Synagogengemeinde gewesen. Im zweiten Teil des Abends führte Marko Schmidt, Mitglied der Initiativgruppe Stolpersteine, ein Podiumsgespräch mit Frau Elena Tanaeva, Mitglied der Jüdischen Gemeinde Dresden. Hierbei stand vor allem das aktuelle jüdische Leben in Ostsachsen im Fokus. Musikalisch begleitet wurde der Abend von Julia Bögershausen. Im Anschluss an das kulturelle Programm, bot sich den Veranstaltungsteilnehmerinnen und Teilnehmern noch die Möglichkeit miteinander ins Gespräch zu kommen.

Gunter Demning während der Vorbereitung und während der Verlegung

Zum Gelingen dieses Tages haben viele Personen beigetragen, denen wir alle herzlichst danken möchten. Zuerst ist hier natürlich Gunter Demnig zu nennen, ohne den es keine Stolpersteine gäbe und der extra angereist ist, um die ersten Weißwasseraner Stolpersteine selbst in den Boden lassen. Wir möchten auch allen Spender*innen danken, die durch ihre Gaben die Verlegung der Stolpersteine erst ermöglicht haben. Bürgermeister Pötzsch und dem Team der Stadt Weißwasser, wie der Referatsleiterin Bau und Stadtplanung Frau Baumeister möchten wir für die praktische Unterstützung während des gesamten Prozesses ein großes Dankeschön aussprechen. Ebenso möchten wir Anne Kleinbauer und Felix Pankonin von der Hillerschen Villa in Zittau danken, die die Initiativgruppe auf dem Weg von der Gründung zu den ersten Stolpersteinen stetig begleitet haben. Wir danken zudem underen Gäste des Abendprogramms, Dr. Markus Bauer, Elena Tanaeva und Julia Bögershausen. Ein großes Danke auch an alle, die der Verlegung und/oder dem Programm beigewohnt haben, so wird das Gedenken lebendig!