Dr. Hermann Altmann

Vor 80 Jahren, am 4. November 1940, nahm sich Dr. Hermann Altmann in den Räumen seiner Praxis das Leben. Wie konnte es dazu kommen, dass ein beliebter und erfolgreicher Arzt freiwillig aus dem Leben schied?

Altmann kam 1903 im Alter von dreißig Jahren nach Weißwasser, nachdem er in Berlin erfolgreich das Medizinstudium beendet hatte. Als Arzt war er bekannt für sein soziales Engagement, da er als sogenannter „Armenarzt“ gelegentlich auch arme Menschen kostenlos behandelte. Zeitzeugen erinnern sich zudem daran, dass er auf dem neusten Stand der Wissenschaft praktizierte. Ausgestattet mit der ersten Röntgeneinrichtung in Weißwasser, war es ihm möglich, die in der Glasbläserstadt stark verbreitete Tuberkolose sicher zu diagnostizieren und zu heilen. Ab 1926 leitete er die neu eingerichtete Ehe- und Mütterbereatungsstelle im Rathaus und war als Schularzt tätig. Dank seiner jahrzehntelangen medizinischen Tätigkeit, seinen Diensten als Stabsarzt im 1. Weltkrieg und der Ehe mit einer nicht-jüdischen Frau, genoss er am Anfang der Nazi-Herrschaft einen gewissen Schutz und die Möglichkeit weiterhin als Arzt tätig zu sein.

Nach und nach verlor er jedoch jegliche Rechte und damit auch seine Existenzgrundlage: Erst durfte er nicht mehr als Schularzt tätig sein, dann verlor er 1934 seine Zulassung als Kassenarzt. Völkische Hetzzeitschriften denuzierten Patienten, die sich bei ihm behandeln ließen. Am 1. Januar 1938 erlosch die Zulassung jüdischer Ärzte endgültig. Am 10. November 1938 stürmten sieben Nazis seine Wohnung, unterstützt von Nachbarn und weitere NSDAP-Anhängern. Gegenstände wurden aus dem Haus geworfen, die Wohnung geplündert und die Familie Altmann beleidigt. Doch es gab auch Unterstützung: Zerbrochene Fensterscheiben wurden von einem Handwerker namens Domania repariert, die Möbel von Max Schmidt repariert und die Tochter Hannelore von der Nachbarin Geidel umsorgt.

Vielleicht waren es diese Menschen und seine Berufung, die Dr. Altmann davon abhielten, das Angebot nach Brasilien zu fliehen, anzunehmen. Irgendwann überstiegen die Diffamierungen seine Kräfte. Nach einem Besuch seiner Tochter in Warschau, fährt Hermann Altmann nach Weißwasser und nimmt sich das Leben. Am 8. November wird er auf dem jüdischen Friedhof in Görlitz beerdigt. Die lokalen NS-Behörden untersagen die Beerdigung in Weißwasser aus Angst vor Demonstrationen. Um an seine Geschichte zu erinnern, wurde 1991 seine ehemalige Wohnstraße in Dr.-Altmann-Straße umbenannt.

Im November 2021 hat die IG Stolpersteine mit Hilfe der Medienstube WSW ein Video zur Biografie von Dr. Altmann erstellt.